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Was bedeutet Corona für Vermieter?

Geschrieben von Michael Furrer | 15.10.21 15:23

Die „Corona-Krise“ spitzt sich täglich weiter zu, und obwohl die Nachrichten aus unseren Nachbarländern einige Entwicklungen vorwegnehmen, bleibt die Halbwertzeit der beschlossenen Massnahmen kurz. Trotzdem zeichnet sich ab, dass nicht nur das gesundheitliche Risiko, sondern auch das wirtschaftliche Risiko sehr ungleich verteilt ist. Neben Tourismus und Fluggesellschaften geraten vor allem Restaurants, Geschäfte und ihre Angestellten aufgrund der bundesrätlichen Not-Verordnungsgebung (aktuell insbesondere der COVID-19 Verordnung 2) in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da die Geschäftstätigkeit in weiten Bereichen vorübergehend teilweise vollständig verboten ist.

Vermieter müssen daher damit rechnen, dass Mieter von Ladenlokalen und Wohnungen, die von den Massnahmen besonders betroffen sind, in der nächsten Zeit massenhaft um Reduktion oder sogar vollständigen Erlass der Mietzinse bitten werden. Auf Facebook kursieren bereits erste „virale“ Meldungen von Eigentümern, die Ihren Mietern den Mietzins erlassen. Der Mieterverband fordert Kulanz von Vermietern aus moralischer Verpflichtung und aus Eigeninteresse und schreibt sogar eine unsichere rechtliche Lage auf Grund der einzigartigen Situation herbei („Es ist nicht auszuschliessen, dass Eigentümer einen Teil der Folgen dieser aussergewöhnlichen Situation mittragen müssen“). Eine Klärung der sich stellenden juristischen Fragen wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen und erst möglich sein, wenn das Ausmass der sich bis anhin dynamisch entwickelnden Einschränkungen einigermassen zuverlässig abschätzbar sein wird.

Sollte in den nächsten Tagen gar eine Ausgangssperre verhängt werden, dürfte sich die Situation jedenfalls noch weiter akzentuieren. Die Eigentümerschaft und Verwaltungen werden – zumal es schnell um recht viel Geld gehen kann – vor schwierige Entscheidungen gestellt. In diesem Artikel vergleichen wir die verschiedenen Optionen, beschreiben die jeweiligen Vor- und Nachteile und definieren, was es für Eigentümer zu beachten gilt.

Leerstand vermeiden: Warum sich ein Entgegenkommen lohnen kann

Natürlich kann sich jeder Eigentümer auf den Standpunkt stellen, dass die Mieter ihre vertraglichen Verpflichtungen ungeachtet der behördlichen Anordnungen zu erfüllen und insbesondere die vereinbarten Mietzinse zu bezahlen haben (pacta sunt servanda). Der aktuell bundesrätlich verfügte Rechtsstillstand verhindert lediglich vorübergehend, dass ausbleibende Mietzinsen in Betreibung gesetzt werden, nicht aber, dass das Mietverhältnis wegen Zahlungsrückstands gekündigt wird. Die Rechtmässigkeit eines solchen – unter normalen Umständen – üblichen Vorgehens wird sich weisen müssen.

Unabhängig davon kann es neben persönlicher Verbundenheit, dem guten Verhältnis zur Mieterschaft und dem Wunsch, ein Zeichen der Solidarität zu setzen, auch für die Vermieterschaft handfeste wirtschaftliche Gründe für ein Entgegenkommen geben.

Sollte die Mieterschaft gezwungen sein, das Mietverhältnis aufgrund der fehlenden Liquidität zu kündigen oder in Zahlungsrückstand geraten und letztlich gar Konkurs gehen, drohen der Vermieterschaft längere Mietzinsausfälle, da eine Weitervermietung unter Umständen erst nach Abschluss eines sich die Länge ziehenden Verfahren möglich sein kann. Obgleich weder die Länge der „Corona-Krise“ noch die konjunkturellen Folgen absehbar sind, spricht zudem einiges dafür, dass bei einer Weitervermietung mit vorübergehendem Leerstand oder sogar verschlechterten Konditionen kalkuliert werden muss.

Sollten die folgenden Bedingungen erfüllt sein, könnte ein Entgegenkommen der Vermieterschaft in der beschriebenen Art und Weise Sinn ergeben:

  • Die Mieterschaft wäre ohne Entgegenkommen nicht mehr in der Lage, die Mietzinse zu bezahlen, und/oder wäre vermutlich gezwungen, das Mietobjekt zu kündigen;
  • durch ein Entgegenkommen bliebe die Mieterschaft langfristig erhalten;
  • es ist absehbar, dass mittelfristig wieder Miete gezahlt werden könnte (Corona-Massnahmen beendet);
  • das Objekt könnte vermutlich nicht schnell oder nicht zu gleich guten Konditionen neu vermietet werden.

Besonders verzwickt ist die Entscheidung, wenn die Eigentümer die Mieteinnahmen zur Bedienung laufender Kosten (Hypothek, Reparaturen) oder zur Bestreitung ihres eigenen Lebensunterhalts benötigen. In diesem Falle wäre eine Mietzinsreduktion schmerzhaft. Ein möglicher Leerstand oder nachhaltig ausfallende Mietzinszahlungen wären aber in gleichem Masse ungünstig.

Miete stunden, reduzieren oder ganz erlassen?

Als mögliche Massnahmen, mit der die Not der Mieterschaft gemindert werden kann, liegen die (befristete oder unbefristete) Stundung, die Reduktion oder der gänzliche Erlass des Mietzinses durch die Vermieterschaft auf der Hand. Ob und welche dieser Massnahmen gewählt werden soll, hängt von den konkreten Umständen ab.

Wichtig scheint, die künftige Entwicklung der Solvenz der Mieterschaft abzuschätzen. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass bereits umfangreiche staatliche Hilfe für die betroffenen Geschäftszweige (Kurzarbeit, Sofortmassnahmen) angekündigt wurde. Viele Betroffene dürfen entsprechend mit schneller, unbürokratischer Unterstützung rechnen oder haben solche bereits erhalten. Geschäfte und Betriebe, die in den Zeiten vor den Massnahmen reichlich Gewinne erwirtschaften konnten und gute Aussichten haben, dies auch nach Aufhebung der Massnahmen wieder zu tun, dürften zudem effektiv nur kurzfristig unter den Massnahmen und der durch diese verursachten mangelnden Liquidität zu leiden haben.

In beiden Fällen bietet sich daher eine Stundung des Mietzinses an. So wird die bedürftige Mieterschaft solange unterstützt, wie dies nötig ist und gleichzeitig Leerstand vermieden. Andererseits erhält die Vermieterschaft letztlich doch die ihr vertraglich grundsätzlich zustehenden Mieteinnahmen, wenn auch verspätet, sobald sich die wirtschaftliche Lage mieterseits entspannt hat.

Entschliesst sich die Vermieterschaft hingegen, die Mietzinse zu erlassen, sei es ganz oder teilweise, kommt sie der Mieterschaft damit sicherlich maximal entgegen und ermöglicht am ehesten eine nachhaltige erfolgreiche Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit der Mieterschaft. Dies erfordert vermieterseits aber das Bewusstsein und die Bereitschaft, endgültig auf die erlassenen Ansprüche zu verzichten, und zwar unabhängig von der noch nicht absehbaren Entwicklung der „Corona-Krise“. Scheint wahrscheinlich, dass sich die Mieterschaft nicht oder nur schwer von den Massnahmen wird erholen können, so mag ein befristeter gänzlicher oder teilweiser Erlass in Betracht gezogen werden. Es nützt der Vermieterschaft schliesslich nichts, wenn zwar die gestundeten Mietzinse von der Mieterschaft abgestottert werden, neu fällig werdende aber wiederum offen bleiben.

Gegenleistungen des Mieters

Generell bietet es sich an, die Stundung oder den (Teil-)Erlass an bestimmte Pflichten der Mieterschaft zu knüpfen. Um die Notwendigkeit und den Umfang eines Entgegenkommens überhaupt einigermassen beurteilen zu können, kann sich die Vermieterschaft beispielsweise zunächst die Vermögenslage von der Mieterschaft dokumentieren lassen. Ein schliesslich gewährter Erlass oder Stundung kann sodann an Bedingungen geknüpft werden, beispielsweise an den Nachweis der Mieterschaft, dass alle möglichen staatlichen Hilfsmassnahmen effektiv beantragt wurden oder werden. In Falle der Stundung ist ratsam, die Mieterschaft zu verpflichten, jede erhaltene Hilfsleistung und jede Verbesserung der finanziellen Lage umgehend zu deklarieren.

Selbstverständlich sind auch andere Gegenleistungen der Mieterschaft denkbar, wie beispielsweise die Verlängerung einer bestehenden oder die Einführung einer neuen Mindestvertragsdauer. Insbesondere wenn begründete Hoffnung besteht, dass sich die Vermögenslage der Mieterschaft nachhaltig erholen wird, kann so dafür gesorgt werden, dass die wieder solvente Mieterschaft das Mietverhältnis nicht auflöst, kurz nachdem sie vom Entgegenkommen der Vermieterschaft profitiert hat.

Besteht vermieterseits kein Spielraum, auf Mietzinszahlungen auch nur vorübergehend zu verzichten, könnte in Betracht gezogen werden, die Auflösung und Auszahlung des Mietzinsdepots an die Vermieterschaft unter Anrechnung an die fällig werdenden Mietzinse zu vereinbaren. Mindestens vorübergehend wäre auf diese Weise beiden Seiten geholfen. Die Vermieterschaft tut allerdings gut daran, die Mieterschaft zu verpflichten, die aufgelöste Sicherheit wieder aufzufüllen, sobald dies möglich wäre.

Sorgfältige Planung und Umsetzung ist entscheidend

Unabhängig davon, ob die Mietzinse (teilweise) erlassen oder gestundet werden, sollten eine klare Beschränkung in Umfang und Dauer sowie die weiteren Modalitäten des Erlasses oder der Stundung, insbesondere allfällige Verpflichtungen der Mieterschaft, schriftlich festgehalten werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass einseitige Änderungen des Mietvertrages, insbesondere wenn diese einseitig zu Lasten des Mieters gehen, der Formularpflicht unterstehen. Auch wenn es im vorliegenden Zusammenhang keine einseitigen Vertragsänderungen erfolgen würden, wären mögliche Diskussionen durch Verwendung des amtlichen Formulars ausgebremst.

Die unten stehenden Formulierungen dienen als Anhaltspunkte und sollen Orientierung bieten. Da es sich um eine gänzlich neue Situation mit hoher Ungewissheit handelt, ist es gerade bei komplexeren Sachverhalten empfehlenswert einen Juristen zu Rate zu ziehen.

Wie geht es weiter?

Wie eingangs geschrieben, überschlagen sich die Ereignisse zurzeit. Bei Fairwalter verfolgen wir die Entwicklung, stehen in engem Kontakt mit Verwaltungen und Eigentümern. Wir alle stehen vor gänzlich neuen aber häufig eben auch identischen Herausforderungen. Tauschen wir uns aus! Wir freuen uns von Euren Problemen, Lösungen und Anregungen zu hören.

Dieser Aritkel wurde zusammen mit lic. iur. Jan Berchtold, RA bei Bachmann Rechtsanwälte verfasst.