- Vertiefter Blick ins Gesetz: Was fordert das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) wirklich?
- SIA-Normen & Co.: Welche weiteren Richtlinien spielen eine Rolle?
- Typische Fallstricke und wie Verwaltungen sie vermeiden
- Dokumentation und Nachweis der Einhaltung: So sind Verwaltungen auf der sicheren Seite
- Fazit: Rechtssicherheit als Schlüssel zum nachhaltigen Immobilienerfolg
Barrierefreiheit in der Immobilienverwaltung ist nicht nur eine soziale Verantwortung, sondern auch eine gesetzliche Verpflichtung. Während unser Überblicksartikel „Barrierefreies Wohnen in der Immobilienverwaltung: Überblick, Gesetze & Lösungsansätze“ die allgemeinen Grundlagen und Vorteile barrierefreier Immobilien behandelt hat, geht es in diesem Beitrag um die konkreten rechtlichen Anforderungen, die Immobilienverwaltungen in der Schweiz erfüllen müssen.
Was ist Barrierefreiheit bei Immobilien? Barrierefreiheit bei Immobilien bedeutet, dass Gebäude und Wohnungen so gestaltet sind, dass sie für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ohne fremde Hilfe nutzbar sind. Dazu gehören unter anderem stufenlose Zugänge, breite Türen, rutschfeste Böden und barrierefreie sanitäre Anlagen. Auch visuelle und taktile Orientierungshilfen sowie barrierefreie Aufzüge sind zentrale Bestandteile, um eine uneingeschränkte Nutzung zu gewährleisten.
Ein genauer Blick auf das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) sowie auf SIA-Normen zeigt, welche baulichen Anpassungen verpflichtend sind und wie Verwaltungen ihre Haftung reduzieren können. Zudem stellen wir typische Stolperfallen vor, die zu Konflikten oder finanziellen Risiken führen können – und geben praxisnahe Lösungen, um diese zu vermeiden.
Welche Barrieren sind tatsächlich unzulässig? Wann ist ein Umbau erforderlich und wie dokumentiert man alles rechtssicher? Dieser Artikel gibt Ihnen klare Antworten auf diese Fragen, damit Sie Ihre Immobilienverwaltung auf eine sichere Basis stellen.
Vertiefter Blick ins Gesetz: Was fordert das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) wirklich?
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) setzt sich dafür ein, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen und privaten Infrastrukturen haben. Für Immobilienverwalter:innen bedeutet das insbesondere, dass Gebäude und Einrichtungen barrierefrei zugänglich sein müssen, wenn sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind.
Welche Anforderungen stellt das BehiG an Immobilienverwaltungen?
Das Gesetz legt fest, dass bestehende bauliche Hindernisse beseitigt oder minimiert werden müssen, sofern dies verhältnismässig ist. Besonders betroffen sind:
- Öffentlich zugängliche Gebäude, wie Verwaltungsgebäude oder Mehrfamilienhäuser mit gewerblichen Mietflächen.
- Neu- und Umbauten, bei denen von Beginn an Barrierefreiheit berücksichtigt werden muss.
- Mietobjekte, bei denen Anpassungen auf Wunsch der Mieter:innenschaft geprüft werden sollten.
Ein zentrales Ziel des Gesetzes ist es, bauliche und infrastrukturelle Barrieren zu reduzieren, etwa durch:
- Breitere Türen und schwellenlose Eingänge
- Stufenlose Zugänge oder Rampen
- Fahrstühle mit ausreichender Bewegungsfläche
- Barrierefreie Sanitäranlagen
Welche Vorschriften sind zusätzlich zu beachten?
Das BehiG gilt schweizweit, doch kantonale Baugesetze können strengere Vorgaben enthalten. Beispielsweise verlangen einige Kantone detaillierte Regelungen zur Umsetzung von Liftpflichten oder rollstuhlgerechten Stellplätzen.
Praxistipp: Der vollständige Gesetzestext sowie weiterführende Informationen sind auf admin.ch verfügbar. Da die Vorschriften je nach Kanton abweichen können, lohnt sich ein Blick in die spezifischen Bauverordnungen der jeweiligen Region.
Doch neben dem BehiG gibt es weitere Normen, die für die Umsetzung von Barrierefreiheit relevant sind. Dabei sticht besonders die SIA 500 hervor.
SIA-Normen & Co.: Welche weiteren Richtlinien spielen eine Rolle?
Neben dem Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) sind in der Schweiz auch technische Richtlinien für barrierefreies Bauen von Bedeutung. Besonders relevant ist die SIA 500, die detaillierte Anforderungen an barrierefreie Gebäude und Infrastrukturen stellt.
Was regelt die SIA 500?
Die Norm SIA 500 „Hindernisfreies Bauen“ enthält technische Vorgaben, um Gebäude und Aussenräume für alle Personen zugänglich und nutzbar zu machen. Sie richtet sich insbesondere an:
- Wohnbauten mit mehr als acht Wohneinheiten
- Öffentliche Gebäude wie Verwaltungs- oder Gewerbeimmobilien
- Arbeitsstätten mit Kundenkontakt
- Verkehrs- und Aussenanlagen, z. B. Parkplätze und Gehwege
Die Norm gibt unter anderem die Mindestmasse für Türen, Rampen, Liftanlagen, Sanitärbereiche und taktile Leitsysteme vor. Immobilienverwaltungen sollten insbesondere darauf achten, dass Fluchtwege und Haupteingänge barrierefrei zugänglich sind.
Gibt es weitere Vorschriften?
Je nach Kanton oder Gemeinde können ergänzende Bauverordnungen gelten, die noch strengere Anforderungen an die Barrierefreiheit stellen. Besonders Städte mit einer älteren Bausubstanz setzen vermehrt auf spezielle Anpassungsregelungen für bestehende Gebäude.
Praxistipp: Immobilienverwalter:innen sollten frühzeitig Fachplaner:innen oder Architekt:innen mit Erfahrung im hindernisfreien Bauen hinzuziehen. Checklisten oder kantonale Beratungsstellen helfen dabei, die richtigen Normen für ein Gebäude zu bestimmen.
Doch selbst wenn die gesetzlichen Grundlagen klar sind, lauern in der Praxis einige Stolperfallen. Schauen wir uns typische Fallstricke an.
Typische Fallstricke und wie Verwaltungen sie vermeiden
Umbauwünsche von Mieter:innen
Mieter:innen mit eingeschränkter Mobilität können unter bestimmten Umständen bauliche Anpassungen verlangen. Laut Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) müssen Hindernisse beseitigt werden, wenn dies zumutbar und wirtschaftlich vertretbar ist. In der Praxis betrifft dies beispielsweise:
- Türverbreiterungen für Rollstühle
- Rampen oder Treppenlifte in Mehrfamilienhäusern
- Barrierefreie Badezimmereinrichtungen
Ob eine Anpassung erfolgen muss, hängt unter anderem von der Nutzung des Gebäudes, den Kosten und der Zumutbarkeit für die Eigentümer:innenschaft ab. Eine fachliche Begutachtung ist daher ratsam.
Tipp für Verwaltungen:
- Prüfen Sie jeden Antrag sorgfältig und holen Sie eine neutrale Einschätzung von Fachpersonen ein.
- Kommunizieren Sie transparent, ob und unter welchen Bedingungen ein Umbau möglich ist.
- Falls eine bauliche Veränderung genehmigt wird, sollte schriftlich festgehalten werden, wer die Kosten trägt und wie der Rückbau geregelt ist.
Eine offene und lösungsorientierte Kommunikation hilft, Streitigkeiten zu vermeiden und Mieter:innen frühzeitig über ihre Rechte und Pflichten zu informieren.
Haftungsfragen & Versicherungen
Eine unzureichende Barrierefreiheit kann für Verwaltungen und Eigentümer:innengemeinschaften rechtliche Konsequenzen haben. Besonders in öffentlich zugänglichen Bereichen wie Eingängen, Treppenhäusern oder Garagen kann eine fehlende Anpassung als Diskriminierung gewertet werden.
Typische Haftungsrisiken sind:
- Unzureichende Rampen oder Handläufe, die zu Stürzen führen können
- Schlecht zugängliche Fahrstühle, die gehbehinderten Personen den Zutritt erschweren
- Fehlende Bodenmarkierungen, die für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen problematisch sind
Versicherungen übernehmen Schäden oft nur, wenn nachgewiesen werden kann, dass alle Vorschriften eingehalten wurden. Fehlende Dokumentationen oder Missachtung gesetzlicher Vorgaben können dazu führen, dass die Verwaltung oder Eigentümer:innengemeinschaft haftbar gemacht wird.
Tipp für Verwaltungen:
- Prüfen Sie regelmässig, ob barrierefreie Zugänge in einem sicheren Zustand sind.
- Dokumentieren Sie alle Prüfungen und durchgeführten Massnahmen, um im Schadensfall abgesichert zu sein.
- Arbeiten Sie eng mit Versicherungen zusammen, um zu klären, welche Risiken gedeckt sind und welche nicht.
Gerade die Dokumentation ist ein entscheidender Schritt, um im Ernstfall nachzuweisen, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden.
Dokumentation und Nachweis der Einhaltung: So sind Verwaltungen auf der sicheren Seite
Eine sorgfältige Dokumentation ist für Immobilienverwalter:innen unerlässlich, um gesetzliche Anforderungen zur Barrierefreiheit nachzuweisen und im Streitfall rechtlich abgesichert zu sein. Fehlt der Nachweis über durchgeführte Prüfungen oder Massnahmen, kann dies zu Haftungsrisiken oder Problemen mit Versicherungen führen.
Welche Unterlagen sollten zwingend aufbewahrt werden?
Damit die Einhaltung der Vorschriften jederzeit nachvollziehbar bleibt, sollten folgende Dokumente archiviert werden:
- Baupläne und Genehmigungen für Neubauten oder Umbauten
- Gutachten und Prüfberichte zur Barrierefreiheit
- Protokolle von Begehungen und Inspektionen
- Abnahmen und Bestätigungen durch Fachstellen
- Korrespondenz mit Mieter:innen und Eigentümer:innen zu Umbauanfragen
- Nachweise über bauliche Anpassungen (Fotos, Rechnungen, Dokumentationen)
Tipp: Diese Dokumente sollten in einem zentralen, leicht zugänglichen System abgelegt werden, um sie jederzeit abrufen zu können.
Wie helfen digitale Tools bei der Dokumentation?
Digitale Immobilien Software wie Fairwalter bietet wertvolle Unterstützung, um Dokumente effizient zu speichern und den Überblick über Prüfungen und Fristen zu behalten. Moderne Dokumentenmanagement-Systeme (DMS) ermöglichen es, Unterlagen zu digitalisieren, zu kategorisieren und automatisch zu archivieren.
Wichtige Funktionen digitaler Lösungen:
- Automatisierte Prüfprotokolle, um regelmässige Kontrollen zu dokumentieren
- Fristenüberwachung, damit gesetzliche Anforderungen rechtzeitig erfüllt werden
- Digitale Checklisten, um standardisierte Abläufe sicherzustellen
- Zentrale Datenbank, die alle relevanten Dokumente revisionssicher speichert
Best Practices für eine rechtssichere Dokumentation
Damit die Prozesse reibungslos funktionieren, sollten Verwaltungen folgende Massnahmen etablieren:
- Regelmässige Kontrollen der Gebäude auf Barrierefreiheit durchführen und protokollieren
- Checklisten nutzen, um Mängel frühzeitig zu erkennen und zu beheben
- Klare Verantwortlichkeiten festlegen: Wer ist für welche Prüfungen zuständig?
- Laufende Kommunikation mit Mietenden pflegen, um frühzeitig auf Umbauwünsche zu reagieren
- Schulungen für Mitarbeitende organisieren, um sicherzustellen, dass alle Anforderungen bekannt sind
Praxistipp: Eine lückenlose Dokumentation schützt nicht nur vor rechtlichen Risiken, sondern verbessert auch die interne Organisation. Wer alle Prozesse sauber festhält, kann schneller auf Anfragen reagieren und effizienter arbeiten.
Fazit: Rechtssicherheit als Schlüssel zum nachhaltigen Immobilienerfolg
Die Barrierefreiheit in der Immobilienverwaltung ist nicht nur eine gesetzliche Anforderung, sondern auch eine zukunftsweisende Massnahme, um sich als verantwortungsbewusstes Unternehmen zu positionieren. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) sowie die SIA-Normen geben klare Vorgaben, die Immobilienverwaltungen und Vermieter:innen beachten müssen. Fehlende Anpassungen oder lückenhafte Dokumentation können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Wer frühzeitig auf rechtssichere Umsetzungen setzt, profitiert gleich mehrfach:
- Reduzierung des Haftungsrisikos durch klare Prozesse und Prüfmechanismen
- Vermeidung von Streitigkeiten, indem Mietenden transparente Abläufe geboten werden
- Wettbewerbsvorteil, da barrierefreie Immobilien eine breitere Zielgruppe ansprechen
- Effiziente Verwaltung, wenn digitale Tools zur Überwachung und Dokumentation genutzt werden
Praxistipp: Barrierefreiheit sollte als Investition betrachtet werden – sie verbessert nicht nur die Rechtssicherheit, sondern steigert auch die Langfristigkeit der Mietverhältnisse und erhöht den Wert einer Immobilie.
Weitere Informationen finden Sie in unseren Beiträgen:
➡ “Barrierefreiheit kostengünstig umsetzen: Förderungen, Umbauplan und langfristige Rendite”
➡ “So vermarkten Sie barrierefreie Wohnungen erfolgreich: Tipps für Immobilienverwaltungen”
Wer sich intensiv mit diesen Themen auseinandersetzt, stellt sicher, dass Immobilien den heutigen und zukünftigen Anforderungen gerecht werden – rechtssicher, wirtschaftlich und zukunftsfähig.
Samuel Baumgartner verfügt über eine vielseitige berufliche Laufbahn. Nach seiner kaufmännischen Ausbildung entwickelte er seine Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit in verschiedenen Positionen. Neben diversen Weiterbildungen in der Immobilienbranche erwarb er einen Bachelorabschluss in Business Communications an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich und vertiefte sein Wissen im Bereich Change Management. Seine Erfahrungen erstrecken sich über die Software- und Immobilienbranche, wo er als Leiter Marketing und Verkauf bei W&W Immo Informatik AG den Marktauftritt neu gestalte und mit seinem Team erfolgreiche Verkaufsstrategien entwickelte. Aktuell ist Samuel Baumgartner CEO von Fairwalter.